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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: 5 W 101/01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 160 Abs. 5 | |
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 891 Satz 3 | |
ZPO § 91 Abs. 1 |
2. Vollstreckungstitel sind der Auslegung zugänglich. Als Auslegungsgesichtspunkte dürfen jedoch nur solche Umstände herangezogen werden, die aus dem Titel selbst ersichtlich sind (Thomas/Putzo, a. a. O., vor § 704 Rn. 16; Zöller-Stöber, ZPO; 22. Aufl., § 794 Rn. 14). Sonstige Schriftstücke, insbesondere der Akteninhalt dürfen nicht in die Auslegung einbezogen werden (OLG Hamm NJW 1974, 652).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
5 W 101/01 OLG Naumburg
In der Zwangsvollstreckungssache
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 28. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun, die Richterin am Oberlandesgericht Marx-Leitenberger und den Vorsitzenden Richter am Landgericht Henss beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 26. September 2001 abgeändert.
Der Vollstreckungsantrag des Gläubigers wird zurückgewiesen.
Der Gläubiger trägt die Kosten des Vollstreckungsverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 15.600,-- DM.
Gründe:
A.
Die Parteien schlossen am 16. März 2000 vor der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle einen Vergleich, in dem es unter anderem heißt:
"1. Die Klägerin verpflichtet (sich) dem Beklagten gegenüber, die im Schriftsatz von Rechtsanwalt T. vom 16. März 2000 an das Landgericht Halle in vorliegender Sache aufgeführten 22 Fenster und 1 Balkontür malermäßig fachgerecht zu bearbeiten und zwar außen einschließlich der dazugehörigen Rahmen.
2. Ferner verpflichtet sich die Klägerin dem Beklagten gegenüber, die an den unter Ziffer 1. genannten Fenstern im Bereich der Falze gegebenenfalls vorhandenen Beschädigungen fachgerecht zu beheben."
Der Gläubiger befindet sich im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleiches. Die Schuldnerin hat bisher keine Arbeiten an den fraglichen Fenstern und an der Balkontür ausgeführt.
Am 20. Juni 2001 hat der Gläubiger bei dem Landgericht beantragt, ihn zur Vornahme der unter den Nummern 1. und 2. des Vergleiches bezeichneten Maßnahmen auf Kosten der Schuldnerin zu ermächtigen und die Schuldnerin zu verurteilen, hierfür eine Kostenvorauszahlung in Höhe von 15.600,-- DM zu leisten. Die Schuldnerin hat daraufhin in Aussicht gestellt, einen Malerbetrieb mit den Arbeiten zu beauftragen. Dies ist jedoch zunächst, angeblich infolge eines Versehens, unterblieben.
Das Landgericht hat dem Vollstreckungsantrag schließlich durch Beschluss vom 26. September 2001 entsprochen.
Gegen den ihr am 28. September 2001 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin am 4. Oktober 2001 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, der Gläubiger habe einen für den 1. Oktober 2001 vereinbarten Termin zur Anbringung eines Probeanstriches mit der Begründung abgesagt, dass er die Mängelbeseitigung durch sie nicht mehr hinnehmen wolle.
Der Gläubiger hat um die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gebeten und ausgeführt, die Schuldnerin habe ihm nur den Anstrich der Fenster und der Balkontür mit einer deckenden Farbe angeboten, obwohl er die Erneuerung der vorhandenen offenporigen Lasur verlangen könne.
B.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Halle vom 26. September 2001 ist zulässig (§§ 793 Abs. 1, 887 Abs. 1, 891, 577 Abs. 1 und 2, 569 ZPO) und begründet.
Die von dem Gläubiger beantragte Zwangsvollstreckung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Vergleich vom 16. März 2000 kein wirksamer Vollstreckungstitel ist.
Gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kann grundsätzlich auch aus Prozessvergleichen die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Dies setzt jedoch voraus, dass der Vergleich formell ordnungsgemäß zustandegekommen ist und insbesondere unter Beachtung der Vorschriften über das Sitzungsprotokoll (§§ 159 ff. ZPO) beurkundet wurde (BGHZ 16, 388, 390). Nicht ordnungsgemäß protokollierte Vergleiche sind nichtig (Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 794 Rn. 34) und daher als Vollstreckungsgrundlage ungeeignet.
Bei Abschluss eines Vergleiches ist dessen gesamter Inhalt in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dies kann gemäß § 160 Abs. 5 ZPO auch dadurch geschehen, dass der Inhalt des Vergleiches in eine Schrift aufgenommen wird, die dem Sitzungsprotokoll als Anlage beigefügt und in ihm als solche bezeichnet ist. Die nicht diesen Anforderungen genügende Bezugnahme auf ein Schriftstück außerhalb des Protokolls stellt keine ordnungsgemäße Beurkundung des Vergleiches dar (OLG Hamm MDR 2000, 350; OLG Zweibrücken MDR 1993, 84). Ein derart protokollierter Vergleich ist unwirksam.
So liegt der Fall hier.
Die von der vergleichsweisen Regelung der Parteien betroffenen Fenster und die Balkontür sind allein durch die Bezugnahme auf einen Schriftsatz vom 16. März 2000 gekennzeichnet. Dieser Schriftsatz wurde nicht als Anlage zum Sitzungsprotokoll genommen und auch nicht in dem Protokoll als dessen Anlage bezeichnet. Dass in diesem Schriftsatz zudem nicht einmal erwähnt wurde, in welchem Hause die Fenster und die Tür sich eigentlich befinden sollen, spielt für die Frage der formellen Wirksamkeit des Vergleiches keine Rolle.
Davon abgesehen hat der Vergleich auch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, sodass er selbst dann nicht vollstreckbar wäre, wenn das Landgericht die formellen Erfordernisse der Beurkundet beachtet hätte. Was der Schuldner zu leisten hat, muss sich stets aus dem Vollstreckungstitel selbst ergeben und ist dort so genau wie möglich zu bezeichnen. Zwar sind grundsätzlich auch Vollstreckungstitel der Auslegung zugänglich. Als Auslegungsgesichtspunkte dürfen jedoch nur solche Umstände herangezogen werden, die aus dem Titel selbst ersichtlich sind (Thomas/Putzo, a. a. O., vor § 704 Rn. 16; Zöller-Stöber, ZPO; 22. Aufl., § 794 Rn. 14). Sonstige Schriftstücke, insbesondere der Akteninhalt dürfen nicht in die Auslegung einbezogen werden (OLG Hamm NJW 1974, 652).
Der Vergleich vom 16. März 2000 lässt schon nicht erkennen, welche Fenster und welche Balkontür betroffen sein sollen. Ebenso wenig ist ihm zu entnehmen, welche Arbeiten an den Fenstern und an der Tür zu verrichten sind. Die Beschreibung "malermäßig fachgerecht zu bearbeiten" genügt dazu nicht. Es gibt zahlreiche verschiedene Möglichkeiten, an Fenstern und Türen fachgerechte Malerleistungen auszuführen, beispielsweise - wie allein der Streit der Parteien zeigt - sie offenporig zu lasieren oder sie mit einem deckenden Lack zu versehen. Dies musste in dem Vergleich festgelegt werden, wenn es nicht der einen oder der anderen Partei überlassen bleiben sollte, für die andere Seite verbindlich zu bestimmen, welche der technisch in Frage kommenden Möglichkeiten einer fachgerechten malermäßigen Behandlung zu wählen ist. Auf den Willen der Parteien zur Vereinbarung eines derartigen Bestimmungsrechtes deutet indes nichts hin. Hinsichtlich der unter Nummer 2 des Vergleiches genannten Arbeiten steht sogar nicht einmal fest, ob sie überhaupt zu erbringen sind. Dort ist nämlich nur vorgesehen, dass "gegebenenfalls vorhandene Beschädigungen" zu beseitigen seien. Ob sich Beschädigungen an den Fenstern finden, bleibt offen. Ebenso wenig haben die Parteien vereinbart, auf welche Weise für sie verbindlich festgestellt werden soll, ob es solche Beschädigungen gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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